Von Qualität zu Quantum
Essohäuser St. Pauli: Im November feierten Senat und
Unternehmen den Verkauf an SAGA/Quantum als Durchbruch.
Das ist vorschnell, sagt die Planbude - und wirft einen Blick
auf die dünnen Fakten.
Der neue Entwurf wird dumm, brutal und teuer.
Die Stadt beendet die Verschleppungspolitik der Bayerischen Hausbau
und macht selbst wieder Stadtentwicklung.
Das wäre doch die Chance, modellhaft zu
zeigen, wie kommunales Bauen aus der
massiven Städtebaukrise herausführen kann.
Wir hätten uns gewünscht, dass mit uns gesprochen wird, und mit
den herausragenden Architekt:innen NL, BeL, IFAU, Jesko Fezer,
Feld72, Lacaton+Vassal.
Der Entwurf auf Basis des St. Pauli Codes hatte das erhebliche vom
Investor geforderte Bauvolumen verwandelt:
Aus hohem Volumen wurde eine Dichte an
Erlebnissen, an Möglichkeiten und an
Unterschiedlichkeit.
Nun wird aus Qualität Quantum -
und aus Bauvolumen Brutalität.
Informationen nur selektiv zu veröffentlichen ist übliche Herr-
schaftsstrategie. Auf der Pressekonferenz von SAGA, Quantum,
Senat, Bezirk und „Hamburg Kreativ Gesellschaft“ wurde wenig
präsentiert - und umso mehr verborgen: Eine Vogelperspektive
aus 5 KM Entfernung sowie ein kleiner gut gewählter Ausschnitt
der Rückseite des Neuentwurfs sollen verhüllen, wo genau die
Unterschiede zum Originalentwurf liegen.
Die reduzierten Informationen sollen den Verlust an
Architektur-Qualität und den Betrug am Stadtteil verschleiern.
Bei genauerem Hinsehen zeigen sich dennoch bereits dramatische
Verschlechterungen.
Zur Reeperbahn hin ist die Bauvolumen des
Quantum-Entwurfs erheblich gewachsen:
- Aus 180 Hotelzimmern im abgestimmten Entwurf wurden 350
bei Quantum.
- Alle Gebäude am Spielbudenplatz sind um 1-3 weitere Stock-
werke angewachsen.
- Der „Stadtbalkon“ fehlt, auch die dadurch erschlossenen Laden-
flächen im Obergeschoss mit Publikumsverkehr
- Die bekletterbare Hotelhochhausfassade ist gestrichen.
- Das Eckgebäude zur Taubenstrasse ist von 5 auf 7-8 Etagen
gewachsen, statt Chillen mit Abendsonne steht doppelgeschoss-
hoch Technik auf dem Dach.
Somit ist die Vorderseite massiv gewachsen und sprengt die
Maßstäblichkeit der Nachbar:innenschaft. Jeder Mehrwert, vor allem
die Aneignungsfähigkeit, Freiräume und die kleinteiligen Möglichkeiten
für diverse Ladennutzungen, fehlen.
"tristesse normal" im SAGA-Teil nach Süden:
- Die Zahl der Wohnungen schrumpft von 200 auf 160.
- Die zwei kleinen Wohnhochhäuser mit Ausblick wurden gekappt,
und dafür die übrigen Häuser auf durchgängig 7-8 Geschosse
aufgestockt.
- Die originellen Mieter:innengärten auf dem Dach fehlen.
Statt akzentuierter Unterschiedlichkeit sind alle Häuser gleich.
Zu befürchten sind vorstadterprobte SAGA-Grundrisse statt
metropolen-gerechtem Wohnungsgrößenmix.
Weniger bekommen, mehr bezahlen
Wer nun erwartet, dass die derart von Inspiration befreite Bau-
masse billiger würde, sieht sich getäuscht:
Der öffentlich verkündete Preis übertrifft mit über 200 Millionen
Euro alle vorher hinter vorgehaltener Hand kursierenden Zahlen.
Um das Doppelte.
Papa plant wieder
Brauchen wir nicht gerade dringend visionäre und mutige
Beispiele, wie den Krisen mit dem Wissen der Vielen entgegen
getreten werden kann?
Mit dem Engagement der SAGA hatte der Rot-Grüne Senat
die Chance, an der Reeperbahn zu zeigen, wie kommunal
verantwortete und finanzierte Stadtplanung mit hoher Qualität
und Konsequenz aussehen kann. Mit dem gründlichsten
Beteiligungsverfahren der Galaxis im Rücken.
Der Meinungswechsel lässt sich nicht mit den Zwängen der
Austeritätspolitik begründen – das viele Geld hätte auch
für den aufregenden Originalentwurf gereicht.
Noch vor kurzem war allen klar, dass dieses Schlüsselgrundstück
etwas Besonderes braucht, sonst ist die Reeperbahn tot.
Klotzerei, die sich als Sparsamkeit ausgibt
Die nun auf Senatsebene getroffenen Entscheidungen schaden
St. Pauli und beerdigen das aufwendige Beteiligungsverfahren –
als ob nichts gewesen wäre. Es ist unglaublich viel Wissen und
Vertrauen in diesen Prozess geflossen. Viele Menschen, Läden
und Initiativen haben sich bereit gehalten und tausende Stunden
und Geld investiert – nichts davon wird umgesetzt.
Das beschädigt Planungskultur bundesweit -
und ganz massiv das Vertrauen in
demokratische Prozesse.
Bei allem demonstrativen Verzicht -
die ausgestellte Armut an Imagination ist dennoch symbolträchtig:
Ein utilitaristischer Riesenklotz ohne
Nachbarschaftsbezug, entworfen von
ChatGPT auf Basis einer Exceltabelle.