Der Zweite Abriss der Essohäuser

Planbude beendet Zusammenarbeit mit Bayerischer Hausbau und Stadt Hamburg

Der Zweite Abriss der Essohäuser
 
Die Argumente sind ausgetauscht: Zehn Jahre nach dem aufwendigsten und gründlichsten Beteiligungsverfahren auf dem Planeten, nach „Knack’ den St. Pauli Code“, Planbude, Wunschproduktion, Verhandlung, Eckpunktepapier, Architekturwettbewerb, Städtebaulichem Vertrag, millionenschweren Subventionszusagen der Stadt und gültigem Bebauungs-Plan – tritt die Bayerische Hausbau all das in die Tonne.
Der Grund: Erbe Florian Schörghuber übernimmt das Ruder im Konzern und schrumpft bei eingetrübter Baukonjunktur die Abteilung für Projektentwicklung auf ein Achtel. Längst hat die Bayerische Hausbau das Fachpersonal entlassen. Seien wir ehrlich: Der Konzern hat gar nicht mehr die Fähigkeit, die selbst geplanten Essohäuser zu bauen.
Zu wenig Geld hat Schörghuber mit einem Vermögen über 2 Milliarden nicht. Statt zu bauen wird damit jetzt Personal finanziert, das Narrative im Interesse des Unternehmens verbreitet: Nicht die veränderte Konzernpolitik sei schuld an der Investorenbrache, sondern die „vielen Bürgerwünsche“. Enttäuschend: Sowohl die Stadtentwicklungssenatorin wie der Erste Bürgermeister übernehmen die neue Erzählung der Bayern.
Unisono redet man schlecht, was man selbst beauftragt, verhandelt und mit entwickelt hat: Einen passgenauen städtebaulichen Baustein, dessen extrem hohe Dichte den Gewinninteressen der Eigentümerin 29.500 qm Fläche gibt, die nötigen Freiräume schlau auf einige Dächer verlegt, zum Ausgleich 25 Jahre soziales Wohnen und für die langfristige kulturelle Interessantheit 2.500 qm für Sankt-Pauli-spezifische Clubs, Läden und Gemeinnützigkeit reserviert. Und den ganzen funktionalen Reichtum als aufregendes Gefüge aus unterschiedlichen Häusern verpackt, in dem sich St. Pauli weiter entwickeln kann. Planbude-Prozess und Entwurf sind noch zehn Jahre auf Welttournee des Instituts für Auslandsbeziehungen. Ein Stück Hamburg-St. Pauli. Ein Vorzeigeprojekt, das zeigt wie es geht.
Unbelastet von zuviel Wissen um die Qualitäten des Projekts ist man auf Senatsebene in Verhandlung. Das Gegenüber, die bayerische Hausbau, spielt versiert das Opfer und spekuliert in Wahrheit auf die städtische Zwangslage: Denn in Hamburg besetzen Investorenbrachen und Betonruinen viele Schlüsselgrundstücke, wie unübersehbare Wegmarken des Scheiterns – am Gänsemarkt, am Bahnhof, auf dem Holstenareal, an den Elbbrücken. Schlecht für Hamburgs Image. Gut für bayerischen Preisaufschlag.
Wenigstens an der Reeperbahn möchte man den Anschein der Handlungsfähigkeit bewahren. Und ist bereit, die eigenen Verträge über Bord zu werfen, einfach damit irgendwas passiert.
Diesen Weg vom Pionier-Modell einer kooperativen Stadtentwicklung zum gewöhnlichen Spekulationsobjekt werden wir nicht mitgehen.
Wir sind raus!
 
Die Planbude steigt aus.

Margit Czenki,

Prof. Christoph Schäfer,
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Renée Tribble,
M.F.A. Lisa Marie Zander
Wir danken allen, die mitgeplant, gedacht, gestritten,
entwickelt und entworfen haben:
Den Mieter*innen der Essohäuser: Könnten seit 2020 zurück
sein im Neubau am Spielbudenplatz. Ohne euren Kampfgeist
wär nichts passiert! Stellvertretend für alle (und bis heute am
Ball) big love to Aksana, Julia, Nabila und Moni.
Allen 2.300 Personen aus deren Beiträgen der Entwurf
entwickelt wurde.
Allen Kolleg*innen der Planbude.
Die Architekturbüros, die die konzeptuellen Ideen aus dem
Stadtteil mit programmatischem Schliff zu einer Architektur
entwickelt haben, in der sich die Logik des Stadtteils in die
Zukunft fortsetzen ließe:
BeL mit Prof. Jörg Leeser aus Köln
und die Mies-van-der-Rohe-Awardees
NL- Architects mit Kamiel Klaasse aus Amsterdam.
Lacaton + Vassal, aus Paris,
ausgezeichnet mit dem Pritzker Price 2021
Feld72 mit Anne Catherine Fleith und Peter Zoderer Wien
IFAU, Prof. Christoph Schmidt, Prof. Christoph Heinemann
und Prof. Jesko Fezer
aus Berlin
Den Vereinen und Einzelpersonen, die seit Jahren bereit sind,
verhandeln, Kreditwürdigkeit nachweisen, etc. um das neue
Viertel ans Leben zu bringen, u.a.:
St. Pauli Bats für das Basketballdach
Skateboard e.V. für das Skateboarddach
Fablab St. Pauli für das Fablab St. Pauli
Rock ‚n‘ Roll Hotel Kogge
Planet Pauli bis heute ohne Rückkehrgarantie
Asmara’s World Refugee Cantine
Molotow (viel Glück im Top Ten!)
Fuck Yeah! Sexshopkollektiv
Sperrgebiet St. Pauli Beratung für Sexarbeiter*innen
Echohäuser Baugruppe / Wohnprojekt a.O
Den politischen Initiativen, Künstler*innen und Menschen
des Stadtteils, allen voran:
Initiative Essohäuser – Wir sind kein Objekt: Organisiert seit
2010 Mieter*innen, Widerstand gegen den Abriss, Protest und
Teilhabe.
buy buy St. Pauli Filmteam: Irene Bude, Olaf Sobczak,
Steffen Jörg – so geht aktivistisches Filmemachen!
GWA-St. Pauli: Hat vorbildliches Community-Organizing
umgesetzt, als allen Mieter*innen der Rausschmiss drohte. Mit
Erfolg und Hilfe von:
Mieter helfen Mietern: Ihr seid die Besten!
Rechtsanwältin Christiane Hollander: Danke für schnelle
Reaktion und den immer richtigen Ton mit allen Mieter*innen.
Mehr konnte niemand aushandeln!
Stadtteilschule am Hafen Standort St. Pauli für die
fantastische Zusammenarbeit, Urbanismuskurse und als
Austragungsort für Stadtteilkonferenzen.
Ganztagsschule St. Pauli Vier gründliche Urbanismuskurse
FC St. Pauli: War Schauplatz der ersten großen
Stadtteilversammlung, des Architektur-Wettbewerbs,
durchgängig solidarisch und immer Plattform der Vernetzung!
Oke Göttlich: War Gastgeber, Supporter, Jurymitglied im
Architekturwettbewerb und bester FC-Präsident ever!
Megafonchor: Hat das Banner der Wunschproduktion vom
Park Fiction zu den Essohäusern getragen. Critical Care mit
Power Amplification!
AltaVoz: Als Lautsprecher gestartet als U-Boot durch die
polizeibesetzte Nacht geschwommen, unvermutet aufgetaucht
an den Essohäuser am 21. 12. 2013
Rote Flora: War da in der Nacht der Evakuierung. War
Startpunkt der größten Demo 2013. Wurde von der Strasse
geprügelt. Ist wieder aufgestanden. War durchgängig solidarisch.
Recht-auf-Stadt-Bewegung: War Resonanzraum, Verstärker,
fluid und unberechenbar. Wird wieder kommen.
Knarf Rellöm, DJ Patex, Ted Gaier, Booty Carrell, Frau
Kraushaar, Helena Rathka, Hans Stützer, Lisa Hagmeister,
Schorsch Kamerun, Andreas Moll, Jörg Pohl, Frank Egel,
Paul Pötsch, Olli Gemballa, Prof. Dr. Volker Kirchberg,
Robin Kuchar, Matthias T.J. Grimme, Ropecat, Günther
Zint, Dr. Kathrin Wildner, Ale Dumbsky, Charlotte Knothe,
Thomas Wenzel, Peta Devlin
u.v.m.
Dem Gestaltungsbeirat Palomaviertel mit
Prof. Michael Koch
Martin Murphy
Dem Projektrat Esso-Häuser mit Vertreter*innen des Stadtteils
und Vertreter*innen aller im Bezirksparlament vertretenen
demokratischen Parteien.
Dr. Hajo Faerber vom Panoptikum, der immer mit Augenmaß
für die Sache das Potential des Projekts im Blick hatte.
Bezirkspolitiker*innen und Verwaltung, stellvertretend:
Bode Hafke: Hat als Baudezernent wesentlich dazu beigetragen,
dass hier ein innovatives Beispiel für den Städtebau entsteht.
Andy Grote: Als Bezirksamtsleiter kenntnisreich, vorrantreibend
und entschlossen für den Stadtteil. Nach der Metamorphose
zum Innensenator l’exact contraire.
Den internationalen Kooperationspartner*innen
dérive | Zeitschrift für Stadtforschung
arch+
Goethe Institut
IfA – Institut für Auslandsbeziehungen
Volkswagen Museum Wolfsburg
Wiener Secession
Württembergischer Kunstverein Stuttgart


 
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Der Megafonchor zurück auf dem
Platz der leeren Versprechungen
ESSOHÄUSER: BEGRENZTE GESÄNGE
4. und 5. Oktober 18 UHR Spielbudenplatz / Reeperbahn Hamburg-St. Pauli
Megafonchor returns to Spielbudenplatz

Freitag 4. Oktober, Samstag 5. Oktober 18 Uhr

——- Titelbild Miguel Ferraz ——- Megaphonchor Bilder Margit Czenki ——-

——— Presse ——-

„Wir müssen wieder die Klobürsten in die Hand nehmen“

Vor zehn Jahren trauerte der Megafonchor in Hamburg um die abgerissenen Esso-Häuser an der Reeperbahn. Nun protestiert er wieder

Interview Robert Matthies

https://taz.de/!6036811/

Esso-Häuser/Paloma-Viertel
Planbude schmeißt hin: Was wird aus der Baubrache auf dem Kiez?
Von Claudia Eicke-Diekmann
HA, 2.10.2024

https://www.abendblatt.de/hamburg/hamburg-mitte/article407383144/planbude-schmeisst-hin-was-wird-jetz-aus-baubrache-auf-st-pauli.html?kc=success
HINZ und KUNZT – ·
Dicke Luft auf St. Pauli
https://www.hinzundkunzt.de/dicke-luft-auf-st-pauli/

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